Zuverdienstgrenze für KBG: Hinzurechnung von SV-Beiträgen bei Selbstständigen

Erste Rechtsprechung des OGH zur Frage, in welchem Ausmaß SV-Beiträge bei Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit zu berücksichtigen sind

OGH 12. 5. 2009, 10 ObS 61/09g

Sachverhalt:  Die Klägerin ist Komplementärin einer Kommanditgesellschaft und erzielte im Jahr 2003 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR  8.350,06 sowie Mieteinnahmen von EUR  2.354,60. An Sozialversicherungsbeiträge n wurden ihr für das Jahr 2003 EUR  10.482,01 vorgeschrieben. Mit Bescheid vom 1. 10. 2007 widerrief die SVA die Zuerkennung des der Klägerin für den Zeitraum vom 14. 7. 2003 bis 31. 12. 2003 gewährten Kinderbetreuungsgeldes mit der Begründung, dass der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte im Jahr 2003 EUR  21.186,67 (= EUR  8.350,06 + EUR  2.354,60 + EUR  10.482,01) betragen und damit den (damals maßgeblichen) Grenzbetrag von EUR  14.600 überschritten habe. Zugleich wurde die Klägerin zum Rückersatz der für den genannten Zeitraum empfangenen Leistung in der Höhe von EUR  2.484,63 verpflichtet.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage mit dem (sinngemäßen) Begehren auf Abstandnahme von der Rückforderung, weil der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte für das Jahr 2003 unrichtig ermittelt worden sei. Insbesondere seien nicht die im Jahr 2003 vorgeschriebenen SV-Beiträge als einkommenserhöhend zu berücksichtigen, sondern lediglich jene, die den im Jahr 2003 tatsächlich erzielten Einkünften entsprächen . Das Erstgericht folgte dieser Rechtsansicht und gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Sozialrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Ermittlung der Einkünfte

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Zuverdienstgrenze für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld überschritten wurde, sind gemäß §8 Abs1 KBGG sowohl den Einkünften aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit als auch den selbstständigen Einkünften die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung hinzuzurechnen.

Bei Einkünften aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit geschieht dies durch eine pauschale Erhöhung der zugeflossenen Einkünfte um 15%. Nach der im vorliegenden Fall für die Klägerin maßgeblichen Bestimmung des §8 Abs1 Z2 KBGG sind Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit "mit jenem Betrag zu berücksichtigen, der in die Ermittlung des Einkommens für das betreffende Kalenderjahr eingeht. Einkünfte aus Betätigungen, die Grundlage für Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung darstellen, sind um die darauf entfallenden vorgeschriebenen Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung zu erhöhen."

Welche SV-Beiträge sind zu berücksichtigen?

Im Bereich der GSVG-Kranken- und Pensionsversicherung ist im Rahmen der mit dem ASRÄG 1997 (zwecks Angleichung des Beitragsrechts der gewerblich Selbstständigen und der Unselbstständigen) eingeführten und seit 1.1.1998 anzuwendenden "ständigen Nachbemessung" zwischen einer "vorläufigen" und einer "endgültigen" Beitragsgrundlage zu unterscheiden. War (wie im Fall der Klägerin) im drittvorangegangenen Beitragsjahr eine Pflichtversicherung gegeben (§25a Abs1 Z2 GSVG), so sind - innerhalb des von Mindest- und Höchstbeitragsgrundlage gebildeten Rahmens - die in diesem Jahr festgestellten Beitragsgrundlagen für die aktuellen Beitragsvorschreibungen heranzuziehen. Für die Beitragsvorschreibung zB im Jahr 2003 wird daher der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 herangezogen. Nur die Unfallversicherungsbeiträge (§8 Abs1 Z3a und 3b ASVG) sind nicht von der Beitragsgrundlage abhängig, sondern stellen einen Fixbetrag dar.

Der Gesetzeswortlaut "die darauf entfallenden vorgeschriebenen Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung" lässt nicht eindeutig erkennen, ob für die Zurechnung die auf die aktuellen Einkünfte entfallenden SV-Beiträge oder die aktuell vorgeschriebenen maßgeblich sind. Die Wendung "die darauf entfallenden ..." Beiträge würde nahe legen, nur die tatsächlich anfallenden SV-Beiträge für das betreffende Kalenderjahr heranzuziehen, während die Verwendung der Worte "vorgeschriebene Beiträge" eher für die Berücksichtigung der auf Grundlage des drittvorangegangenen Einkommensteuerbescheides vorgeschriebenen SV-Beiträge sprechen könnte.

Äußerungen zu dem Problem in der Lehre sind spärlich. Gerstgraser/Urnik (in SWK 2008 T44) führen aus, dass die Einkünfte "um die im Kalenderjahr vorgeschriebenen (und bezahlten) SV-Beiträge zu erhöhen sind". Auch Marek (Kinderbetreuungsgeld ab 2008 [2008] 51) verweist in diesem Zusammenhang auf die "vorgeschriebenen" SV-Beiträge, die zunächst auf Grundlage einer vorläufigen Beitragsgrundlage ermittelt und dann nach Vorlage des Steuerbescheides korrigiert werden. Schäffer-Ziegler (in ÖJZ 2002, 16 [19]) meint, dass "die im Kalenderjahr des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld vorgeschriebenen SV-Beiträge" der Erhöhung zugrunde zu legen sind.

Die Gesetzesmaterialien begnügen sich mit dem Hinweis, dass "auch in diesem Bereich ... eine Bereinigung der Einkünfte um abgezogene Pflichtbeiträge" erfolgt (RV 620 BlgNR 21.GP 63). Mit "in diesem Bereich" ist der Bereich der Selbstständigen gemeint. Daraus lässt sich aber zumindest ableiten, dass die Regelung geschaffen wurde, um die Gleichbehandlung mit unselbstständig Beschäftigten gemäß §8 Abs1 Z1 KBGG zu gewährleisten. Bei dieser Gruppe von Kinderbetreuungsgeldbeziehern sind die SV-Beiträge in Form einer pauschalen Hinzurechnung von 15% zu berücksichtigen. Auf diese Weise soll eine "Art Bruttoeinkommen" geschaffen werden, wobei nach §8 Abs1 Z1 KBGG nur die während des Zeitraums des Kinderbetreuungsgeldbezuges anfallenden SV-Beiträge pauschaliert hinzugerechnet werden.

Bezugnahme auf Zeitraum des Kinderbetreuungsgeldbezugs

Vor dem Hintergrund der Gleichbehandlung von Unselbstständigen und Selbstständigen ist es angebracht, dem Einkommensbegriff die SV-Beiträge desselben Zeitraums zugrunde zu legen. Schließlich wurde auch für selbstständig Erwerbstätige die Möglichkeit eines konkreten Zuordnungsnachweises der Einkünfte auf den Anspruchszeitraum geschaffen (RV620 BlgNR 21.GP 63). Ferner entspricht die Gleichbehandlung von Unselbstständigen und Selbstständigen der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzgebers auch über das KBGG hinaus. So wurden insbesondere die Bestimmungen des GSVG zur Ermittlung der Beitragsgrundlage mit dem ASRÄG 1997 reformiert, um Unselbstständige und Selbstständige auch beitragsrechtlich gleich zu behandeln (RV886 BlgNR 20.GP 113).

Eine Interpretation der Wortfolge "die darauf entfallenden vorgeschriebenen Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung" gemäß §8 Abs1 Z2 KBGG in dem Sinn, dass die Beitragsvorschreibungen auf der Grundlage des drittvorangegangen Kalenderjahres und nicht die letztlich im Kalenderjahr des Kinderbetreuungsgeldbezugs tatsächlich anfallenden SV-Beiträge gemeint sind, würde mit der gesetzgeberischen Intention der Gleichbehandlung von Unselbstständigen und Selbstständigen in Widerspruch stehen. Sie würde auch nicht den Erwägungsgründen zur Einführung des KBGG entsprechen, die darauf verweisen, dass gerade in der Phase der Familiengründung eine wirtschaftliche "Absicherung" gewährleistet sein soll, da "diese Zeit ... neben der persönlichen Beanspruchung auch in finanzieller und zeitlicher Hinsicht sehr sensibel" ist (RV620 BlgNR 21.GP 55).

Folglich sind die dem Kalenderjahr des Kinderbetreuungsgeldbezugszeitraums zugrunde liegenden Einkünfte um die darauf bezogenen SV-Beiträge zu erhöhen.

SV-Beiträge eines Komplementärs einer KG

Mit dieser Lösung ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, in welchem Ausmaß im vorliegenden Fall den Einkünften im Jahr 2003 SV-Beiträge hinzuzurechnen sind und ob aus den Betriebsausgaben der KG allfällige SV-Beiträge herauszurechnen sind.

Bei einem Einzelunternehmer bilden die Beiträge zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung nach dem GSVG Betriebsausgaben nach §4 Abs4 Z1 lita EStG 1988. Da die Gewinnermittlung bei OG und KG denselben Prinzipien wie beim Einzelunternehmer folgt, sind die SV-Beiträge von persönlich haftenden Gesellschaftern einer OG oder einer KG, die (unter den weiters dort genannten Voraussetzungen) der Pflichtversicherung nach dem GSVG (§2 Abs1 Z2) unterliegen, ebenfalls als Betriebsausgaben anzusehen. Nach dem Einkommensteuerrecht ist der erwirtschaftete Gewinn einer Personenhandelsgesellschaft direkt den einzelnen Gesellschaftern zuzuordnen.

Um bei der Gewinnverteilung eine einseitige Belastung eines der GSVG-Pflichtversicherung unterliegenden Komplementärs mit den dadurch auflaufenden SV-Beiträgen zu vermeiden, werden die SV-Beiträge in der Praxis bei der Gesellschaft als Aufwand verbucht. Entsprechend den gesellschaftsvertraglichen Regeln über die Gewinnverteilung verringert sich demnach der Gewinnanteil aller Gesellschafter um die SV-Beiträge, die auf den Komplementär entfallen. Der Umstand, dass die Beiträge ausgehend von den Einkünften des Komplementärs bemessen werden und die Integration in die Pflichtversicherung nach dem GSVG leistungsrechtlich nur ihm zugute kommt, spielt für die Beurteilung, dass die Beiträge Betriebsausgaben der KG sind, keine Rolle, weil die KG zwingend eines Komplementärs bedarf; das Entstehen der Pflichtversicherung ist also Folge der gesellschaftsrechtlichen Konstruktion. Handelt es sich beim Komplementär um eine natürliche Person, kann sie sich der Pflichtversicherung nach dem GSVG nicht entziehen. Der Vergleich mit dem Einzelunternehmer legt es dann nahe, dass die SV-Beiträge eben Betriebsausgaben bei der KG darstellen.

Sind nun entsprechend §8 Abs1 Z2 KBGG für die Beantwortung der Frage, ob die Zuverdienstgrenze überschritten wird oder nicht, den Einkünften des Komplementärs SV-Beiträge hinzuzurechnen, kann dabei nur der auf den Komplementär (entsprechend den Regeln über die Gewinnverteilung) entfallende Anteil relevant sein, würde doch sonst dem Komplementär auch die durch die SV-Beiträge bedingte Gewinnminderung der Kommanditisten zur Last fallen. Nur auf diese Weise kann auch die Vergleichbarkeit mit unselbstständig Erwerbstätigen hergestellt werden.

In Hinblick darauf, dass für die Beurteilung der Einkünfte nach §8 Abs1 Z2 KBGG nicht die im Jahr 2003 auf der Grundlage einer vorläufigen Beitragsgrundlage vorgeschriebenen SV-Beiträge relevant sind, sondern die auf die endgültige Beitragsgrundlage für das Jahr 2003 bezogenen, ist eine entsprechende Abgrenzung erforderlich, die dazu führt, dass nur die für die Einkünfte des Komplementärs 2003 anfallenden SV-Beiträge als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.

Auf diese Weise kann auch ein gewisser Einklang der undeutlichen Wortfolge "um die darauf entfallenden vorgeschriebenen Beiträge" hergestellt werden: Maßgeblich sind die 2003 auf der Grundlage der in diesem Jahr erzielten Einkünfte letztlich (auf der endgültigen Bemessungsgrundlage) vorgeschriebenen SV-Beiträge. Die Wortfolge ist also um sinngemäß um das Wort "letztlich" zu ergänzen ("um die darauf entfallenden, letztlich vorgeschriebenen Beiträge").

Anmerkung der Redaktion:

In einem ähnlich gelagerten Fall, ebenso die Rückforderung des im Jahr 2003 bezogenen Kinderbetreuungsgeldes wegen Überschreitung der Zuverdienstgrenze durch Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit betreffend, wurde zu OGH 21.7.2009, 10 ObS 124/09x, ausgeführt, dass ausgehend davon, dass für die Beurteilung der Einkünfte nach §8 Abs1 Z2 KBGG nicht die im Jahr 2003 auf der Grundlage einer vorläufigen Beitragsgrundlage vorgeschriebenen SV-Beiträge relevant sind, sondern die auf die endgültige Beitragsgrundlage für das Jahr 2003 bezogenen, eine entsprechende Abgrenzung erforderlich ist, die dazu führt, dass nur die für die Einkünfte der Klägerin im Jahr 2003 anfallenden SV-Beiträge als Betriebsausgaben berücksichtigt werden, nicht aber SV-Beiträge, die zwar im Jahr 2003 vorgeschrieben wurden, sich jedoch auf die im Jahr 2000 erzielten Einkünfte beziehen. In diesem Sinn sind - um zu einem dem Gleichheitssatz entsprechendem Ergebnis zu gelangen - die Werte in der Einnahmen-/Ausgaben- bzw Gewinn- und Verlustrechnung zu korrigieren, indem allenfalls abgezogene SV-Beiträge, die im Jahr 2003 vorgeschrieben wurden, dem Gewinn wiederum hinzuzurechnen sind.

In die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2003 wird mit dieser Vorgangsweise nicht eingegriffen, sondern es wird der Betrag der Einkünfte an die Erfordernisse bei der Ermittlung des für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld maßgeblichen Gesamtbetrags der Einkünfte adaptiert. (Li)

GG für die Beurteilung der Frage, ob die Zuverdienstgrenze für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld überschritten wurde, bei selbstständig Erwerbstätigen vorschreibt, dass die Einkünfte um "die darauf entfallenden vorgeschriebenen Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung zu erhöhen" sind, ist davon auszugehen, dass die dem Kalenderjahr des Kinderbetreuungsgeldbezugszeitraums zugrunde liegenden Einkünfte um die darauf bezogenen SV-Beiträge zu erhöhen sind (und nicht um die aufgrund des Einkommensteuerbescheids für das drittvorangegangene Kalenderjahr vorgeschriebenen SV-Beiträge). Die die Hinzurechnung der SV-Beiträge betreffende Wortfolge in §8 Abs 1 Z2 KBGG ist demnach sinngemäß um das Wort "letztlich" zu ergänzen ("um die darauf entfallenden, letztlich vorgeschriebenen Beiträge").

Quelle: Rechtsnews 2009, 7979 vom 13.10.2009
             LexisNexis ARD Orac

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