Neuerungen bei der Finanzamtszuständigkeit durch das AVOG 2010


Mit dem ab 1.7.2010 geltenden Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010 (AVOG 2010) wurden einerseits die teilweise in der Bundesabgabenordnung (BAO) geregelten Bestimmungen über die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Finanz- und Zollämter im neuen AVOG 2010 zusammengefasst und andererseits auch einige inhaltliche Änderungen vorgenommen. Dadurch soll den Steuerpflichtigen künftig eine einfachere Feststellung der für sie zuständigen Abgabenbehörden ermöglicht und ein hohes Maß an Rechtssicherheit und Rechtsrichtigkeit erreicht werden. Nachfolgend die für die Praxis wichtigsten Änderungen:

 

Nach geltender Rechtslage erfolgt im Falle der Einreichung einer Eingabe (zB einer Steuererklärung oder eines Stundungsansuchens) bei einem unzuständigen Finanzamt die Weiterleitung an das zuständige Finanzamt hinsichtlich der Einhaltung allfälliger Fristen auf Gefahr des Einschreiters. Das heißt: Für die Wahrung einer allfälligen Frist (zB ein Stundungsansuchen hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn es vor Fälligkeit der zu stundenden Steuer eingebracht wird) ist erst das Einlangen beim zuständigen Finanzamt maßgeblich. Braucht das unzuständige Finanzamt, bei dem zB ein Stundungsansuchen fristgerecht eingebracht wurde, für die Weiterleitung zwei Wochen und ist die Fälligkeitsfrist bis zum Eintreffen des Ansuchens beim zuständigen Finanzamt bereits abgelaufen, so ist das Stundungsansuchen verspätet, hat keine aufschiebende Wirkung mehr und es fallen 2% Säumniszuschlag an.

 

Ab 1.7.2010 ist das anders: Ab diesem Zeitpunkt müssen die Finanzämter mit allgemeinem Aufgabenkreis bundesweit alle Eingaben (Anbringen) von Steuerpflichtigen (zB Stundungsanträge, Vorhaltsbeantwortungen, Steuererklärungen, Berufungen etc, ausgenommen Anbringen im Zusammenhang mit der Abgabenvollstreckung) fristenwahrend entgegen nehmen (das heißt, für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Eingabe gilt der Zeitpunkt der Einreichung beim unzuständigen Finanzamt). Entscheidende Voraussetzung für die Fristenwahrung ist allerdings, dass in der betreffenden Eingabe das für die Erledigung der konkreten Eingabe zuständige Finanzamt richtig bezeichnet ist. Durch diese Regelung soll es zB Pendlern ermöglicht werden, für das Wohnsitzfinanzamt bestimmte (und an dieses gerichtete) Unterlagen persönlich auch bei einem anderen Finanzamt (zB beim Finanzamt am Arbeitsort) einzureichen. Für Eingaben, die – wie dies immer häufiger der Fall ist – elektronisch über FinanzOnline eingebracht werden (zB Steuererklärungen, Stundungsanträge etc), ist diese neue Regelung allerdings bedeutungslos.

 

Das Wohnsitzfinanzamt (= das Finanzamt, in dessen Amtsbereich der Abgabepflichtige seinen Wohnsitz hat) ist künftig generell für die Erhebung von Einkommensteuer und Umsatzsteuer – und zwar auch bei Vorliegen mehrerer Betriebe eines Unternehmers im Amtsbereich unterschiedlicher Finanzämter – sowie auch für die Erhebung der Lohnabgaben (Dienstgeberbeitrag zum FLAF samt Zuschlag, Lohnsteuer) und der sonstigen Abzugssteuern zuständig. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage gilt dies auch dann, wenn für den Betrieb bisher ein anderes Finanzamt zuständig war. Der Unternehmer kann aber aus wichtigem Grund die Delegierung der Zuständigkeit auf ein anderes Finanzamt beantragen, in dessen Bereich sich ein Betrieb des Unternehmers befindet.

 

Ein eigenes Betriebsfinanzamt gibt es ab 1.7.2010 im Regelfall nur mehr für Körperschaften (insbesondere Kapitalgesellschaften, zB GmbHs) sowie für Personengesellschaften (maßgeblich ist der Ort der Geschäftsleitung). Das Betriebsfinanzamt ist zuständig für die Erhebung der Körperschaftsteuer (bei Körperschaften), der Umsatzsteuer, der Lohnabgaben und der sonstigen Abzugssteuern, sowie weiters für die Feststellung betrieblicher Einkünfte bei Personengesellschaften.

Das Lagefinanzamt ist ab 1.7.2010 zuständig für die Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei Personengemeinschaften (zB Hausgemeinschaften) einschließlich Erhebung der Umsatzsteuer sowie für die Feststellung der Einheitswerte.

Für Stempel- und Rechtsgebühren ist jenes Finanzamt zuständig, dass als erstes vom gebührenpflichtigen Sachverhalt Kenntnis erlangt. Für die Erhebung der Grunderwerbsteuer ist jenes Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bereich das Grundstück bzw der wertvollste Teil des Grundstückes gelegen ist.

Für die Erhebung der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer beschränkt Steuerpflichtiger ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bereich sich unbewegliches Vermögen des Steuerpflichtigen befindet. Andernfalls richtet sich die Zuständigkeit nach dem letzten Wohnsitz (Sitz) des Steuerpflichtigen bzw in Ermangelung eines solchen oder bei Gefahr im Verzug nach der Kenntniserlangung eines abgabepflichtigen Sachverhalts.

Generell ist davon auszugehen, dass alle betroffenen Steuerpflichtigen von allfälligen Änderungen der Finanzamtszuständigkeit im Laufe des ersten Halbjahres 2010 verständigt werden. Damit bis zum späteren Eintreffen dieser Verständigung nichts passiert, gibt es für ein Jahr ab Inkrafttreten folgende Toleranzregelung: Werden bei einem Finanzamt bis zum 30. Juni 2011 Eingaben eingebracht, zu deren Behandlung dieses Finanzamt nur auf Grund der neuen Bestimmungen des AVOG 2010 nicht mehr zuständig ist, so hat die Weiterleitung an das zuständige Finanzamt nicht auf Gefahr des Einschreiters zu erfolgen, wenn dieser bis zur Einbringung seiner Eingabe über die Änderung der Finanzamtszuständigkeit von der Finanzverwaltung noch nicht verständigt worden ist.

 

Quelle: ÖGWT

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