GmbH-Gesellschafter: Anfertigung von Digitalfotografien bei Bucheinsicht

 
GmbHG: §22

Das Recht auf Bucheinsicht des GmbH-Gesellschafters gegenüber der GmbH umfasst grundsätzlich das Recht Fotokopien in Form von Digitalfotografien herzustellen. Anderes gilt etwa, wenn Hinweise dafür gegeben sind, dass der Gesellschafter sein Informationsbegehren in rechtsmissbräuchlicher Absicht geltend macht oder dass zu besorgen ist, der Gesellschafter werde die angefertigten Digitalfotografien zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden.

OGH 17.12.2010, 6Ob175/10v

Ausgangslage:

Die Vorinstanzen haben der Antragsgegnerin (GmbH) über Antrag der beiden Antragsteller (zwei von insg. sechs Gesellschaftern der GmbH) aufgetragen, einem von ihnen bevollmächtigten, zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Vertreter Einsicht in folgende Unterlagen des Geschäftsjahrs 2007 zu gewähren und dem Vertreter auch zu gestatten, von diesen Unterlagen Fotokopien in Form von Digitalfotografien anzufertigen: Saldenlisten, Debitoren Kreditoren - offene Postenlisten, sämtliche Belege, Buchhaltungskonten, Bankkonten, Lohnkonten, Lohnvereinbarungen, Provisionsabrechnungen mit Vertriebspartnern, Mietverträge, Leasingverträge sowie Bewertung Bilanzpositionen.

Aus den Entscheidungsgründen des OGH:

Einsicht, Kopien und Digitalfotografien

Die Antragsgegnerin bekämpft in ihrem Revisionsrekurs nicht, dass den Antragstellern grundsätzlich das Recht zusteht, in die von ihnen geforderten Unterlagen Einsicht zu nehmen und "gegebenenfalls von einzelnen, bedenklichen Unterlagen Kopien" zu nehmen. Einer Auseinandersetzung mit der von Koppensteiner/Rüffler (GmbHG3 [2007] §22 Rz37) gegen die stRsp des OGH geäußerten Kritik bedarf es somit nicht; nach dieser Rsp stehen den Gesellschaftern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung auch außerhalb der Hauptversammlung umfassende Informationsrechte zu (6Ob17/90, SZ 63/150 = ecolex 1991, 25 [Thiery] = RdW1991, 14; RIS-Justiz RS0060098).

Der OGH hat in der Entscheidung 6Ob11/08y (GesRZ 2008, 234 [Thiery] = GeS 2008, 282 [Vavrovsky] = LNRechtsnews4938 vom 28.4.2008 = RdW2008/414) den außerordentlichen Revisionsrekurs gegen eine Entscheidung eines RekursG zurückgewiesen, mit der einer Gesellschafterin einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung Einsicht in "alle Bücher, Papiere und sonstigen Geschäftsunterlagen [...] und die Herstellung von Abschriften und Fotokopien davon" gewährt wurde. Auch wenn sich der OGH in dieser Entscheidung mit der hier vom RekursG als erheblich bezeichneten Rechtsfrage nicht näher auseinander zu setzen hatte, so entsprach das dargestellte Ergebnis doch der - soweit ersichtlich - völlig einhelligen Auffassung (OLG Wien NZ 1997, 99; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht2I [1997] RN 2/740; Kostner/Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung5 [1998] Rz253; Rassi, Fragen der Bucheinsicht im Gesellschaftsrecht, ecolex 1999, 546; Koppensteiner/Rüffler aaO Rz30; Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung6 [2008] Rz247; Ch.Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht [2008] Rz4/326).

Die Antragsgegnerin geht in ihrem Revisionsrekurs aber durchaus zutreffend selbst davon aus, dass die Herstellung von Fotokopien in Form von Digitalfotografien der Ablichtung der Urkunden entspricht.

Fassung des Exekutionstitels

Der OGH hat zwar in mehreren Entscheidungen (zuletzt 3Ob194/09i, GesRZ 2010, 114 mwN = LNRechtsnews8690 vom 22.2.2010 = RdW2010/446 zwischen denselben Parteien wie im vorliegenden Verfahren) ausgesprochen, ein nur auf Gewährung der Einsicht in die Belege eines bestimmten Jahres lautender Exekutionstitel verschaffe der einsichtsberechtigten Partei keinen (exekutiv durchsetzbaren) Anspruch auf Herstellung digitaler Fotografien der eingesehenen Urkunden. Dabei ging es jedoch nur um die Auslegung des Exekutionstitels, nicht jedoch um die materielle Berechtigung des Gesellschafters.

Keine Einsicht bei Rechtsmissbrauch

Die Antragsgegnerin unterstellt in ihrem Revisionsrekurs, dass eine Ablichtung des gesamten Rechnungswesens der Gesellschaft "rechtsmissbräuchlich gesellschaftsfremden Zwecken dienen soll", ihr dadurch die "Möglichkeit [genommen werde,] die Verbreitung dieser Daten zu kontrollieren", "Missbrauch [zu] befürchten" sei, die "Gesellschaft zu Recht ihr Geheimhaltungsinteresse gefährdet" sehe und dem "ein Riegel vorzuschieben" sei. Sie übersieht damit aber die ausdrücklichen Feststellungen der Vorinstanzen, es sei "keinerlei Hinweis dafür gegeben, dass die beiden Antragsteller ihr Informationsbegehren in rechtsmissbräuchlicher Absicht geltend machen" oder "dass zu besorgen sei, die Antragsteller würden angefertigte Kopien in Form von Digitalfotografien zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden". Nach stRsp wäre jedoch genau dies der Maßstab, an dem die Inanspruchnahme des Individualrechts des Gesellschafters auf Information zu messen wäre (6Ob178/09h, NZ 2010, 75 mwN = RdW2010/33).

Die Antragsgegnerin unterlässt es in ihrem Revisionsrekurs, konkrete Umstände darzulegen, weshalb ihre Interessen durch die Anfertigung von Digitalfotografien ihres Rechnungswesens durch die Antragsteller gefährdet werden könnten; sie beschränkt sich auf allgemein gehaltene Ausführungen. Damit haben aber die Vorinstanzen jedenfalls im vorliegenden Verfahren dem "Einsichtsbegehren" zu Recht stattgegeben; der Revisionsrekurs war zurückzuweisen.

Quelle: lexisnexis

Rechtsnews 2011, 10568 vom 09.02.2011

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