VfGH prüft Beschränkung des Verlustabzugs auf betriebliche Einkunftsarten

Rechtsnews 2010, 8999 vom 19.04.2010: §18 Abs6 EStG- Für den VfGH ist zweifelhaft, ob er seine Beurteilung aufrecht erhalten kann, dass der Ausschluss der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vom Verlustvortrag (Verlustabzug) verfassungskonform ist (vgl VfGH 10.12. 1992, B1044/91, ARD 4439/9/93).

Daher wird die Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "- wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und" in §18 Abs6 EStG sowie des letzten Satzes dieser Bestimmung von Amts wegen geprüft. §18 Abs6 EStG- Für den VfGH ist zweifelhaft, ob er seine Beurteilung aufrecht erhalten kann, dass der Ausschluss der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vom Verlustvortrag (Verlustabzug) verfassungskonform ist (vgl VfGH 10.12. 1992, B1044/91, ARD 4439/9/93). Daher wird die Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "- wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und" in §18 Abs6 EStG sowie des letzten Satzes dieser Bestimmung von Amts wegen geprüft.

VfGH 26.2.2010, B192/09

Sachverhalt: Die Beschwerdeführerin erzielte bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Rahmen einer Miteigentümergemeinschaft lediglich im Jahr 2006 einen Verlust, weil in diesem Jahr die Kosten für den Abriss eines Gebäudes angefallen sind, das zwar baufällig, aber doch noch funktionsfähig war und als Bestandobjekt diente. Die Berücksichtigung dieses Verlusts im Jahr 2007 im Wege des Verlustvortrags wurde vom UFS Salzburg mit Hinweis darauf abgelehnt, dass die Möglichkeit eines Verlustabzugs durch §18 Abs6 EStG auf die betrieblichen Einkunftsarten beschränkt sei und daher für die hier vorliegenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht bestehe.

Die Beschwerdeführerin behauptet die Verfassungswidrigkeit des §18 Abs6 EStG, aus dem sich (in Verbindung mit dem Zufluss-Abfluss-Prinzip des §19 EStG) ergibt, dass sich Werbungskosten nur im Jahr des Abflusses auf die Einkünfte auswirken und dass ein Verlustvortrag nur bei den betrieblichen Einkunftsarten zulässig ist.

Einschränkung des Verlustabzugs auf betriebliche Einkunftsarten

Vom Gesamtbetrag der Einkünfte können nach §18 Abs6 EStG als Sonderausgaben auch Verluste abgezogen werden, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies allerdings nur dann, wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und soweit die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden. Die Höhe des Verlusts ist nach den §4 bis §14 EStG zu ermitteln.

Seit dem KMU-Förderungsgesetz 2006, BGBl I2006/101, ARD 5692/2/2006, können auch bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach §4 Abs3 EStG (durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) ermitteln, Verluste berücksichtigt werden, wenn sie in den vorangegangenen 3Jahren entstanden sind (§18 Abs7 EStG).

Die Anordnungen, dass nur Verluste abgezogen werden können, die durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind, und dass die Höhe des Verlusts nach den §4 bis §14 EStG zu ermitteln ist, haben zur Folge, dass der Verlustabzug auf die sog betrieblichen Einkunftsarten (Land- und Forstwirtschaft, selbstständige Arbeit, Gewerbebetrieb) beschränkt und bei diesen grundsätzlich bilanzierenden Steuerpflichtigen vorbehalten ist.

Der VfGH hat den Ausschluss der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vom Verlustvortrag (Verlustabzug) mit Erkenntnis VfGH 10.12.1992, B1044/91, ARD 4439/9/93, als verfassungskonform angesehen.

Aufgabe der "Opfertheorie" durch jüngere VwGH-Rsp

Im Beschwerdefall liegen unstrittig einkommensteuerlich relevante Einkünfte aus Vermietung eines Grundstücks im Wege einer Miteigentumsgemeinschaft vor. Diese waren durch Jahrzehnte hindurch positiv; lediglich im Jahr 2006 wurde ein Verlust erzielt, und zwar nach dem Beschwerdevorbringen aufgrund der in diesem Jahr angefallenen Kosten des Abbruchs eines noch funktionsfähigen Gebäudes zwecks Errichtung eines Neubaus.

Derartige Abbruchkosten (einschließlich eines allfälligen Restbuchwerts des Altgebäudes) wurden von der Judikatur des VwGH und in der Praxis der Finanzverwaltung in der Vergangenheit grundsätzlich als aktivierungspflichtige Herstellungskosten des in der Folge neu errichteten Gebäudes betrachtet (VwGH 26.4.1989, 89/14/0027, ARD 4080/26j/89). Ein Verlust aus Vermietung und Verpachtung im Abbruchjahr konnte bei dieser Sichtweise (sie wurde geläufigerweise als Opfertheorie bezeichnet) nicht entstehen, weil die Kosten durch Aktivierung neutralisiert wurden und sich erst in der Folge durch höhere Abschreibungen von den Herstellungskosten des neuen Gebäudes auswirkten.

Der VwGH hat diese Opfertheorie in der jüngeren Rechtsprechung anscheinend aufgegeben (VwGH 25.1.2006, 2003/14/0107, ARD 5703/10/2006). Er vertritt in dem zitierten Erkenntnis die Auffassung, dass- jedenfalls bei einem nicht in Abbruchabsicht erworbenen, schon länger genutzten Gebäude- "im Hinblick darauf, dass das Altgebäude einerseits und das Neugebäude andererseits ... nicht als das nämliche Wirtschaftsgut angesehen werden können", weder der Restbuchwert des alten Wirtschaftsguts (Gebäudes) noch die Kosten seiner Beseitigung (seines Abbruchs) bei den Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsguts (Gebäudes) zu aktivieren sind.

Unzureichende Verlustberücksichtigung bei VuV?

Auch im vorliegenden Beschwerdefall dürfte die belangte Behörde nicht von einer Aktivierung der Abbruchkosten ausgegangen sein; die Abzugsfähigkeit des letztlich daraus resultierenden Verlusts im Jahr 2007 hat sie unter Hinweis auf das Fehlen der Möglichkeit des Verlustabzugs für außerbetriebliche Einkünfte abgelehnt. Das dürfte dazu führen, dass die Beschwerdeführerin, da sie im Jahr 2006 nicht über Einkünfte aus anderen Einkunftsarten verfügte, die für einen Verlustausgleich hinreichend gewesen wären, mit den anteiligen Abbruchkosten, die unstrittig im Rahmen einer steuerlich relevanten Einkunftsart angefallen sind, endgültig belastet ist, dh eine ESt-Belastung von bis zu 50% des nicht ausgeglichenen Verlusts zu tragen hat. Bei Betrachtung der maßgeblichen Einkunftsquelle hat sie somit ein Einkommen zu versteuern, das sie- auf mehrere Jahre gesehen- gar nicht erzielt hat. Im Beschwerdefall wird sie anscheinend Miteigentümern gegenüber benachteiligt, für die im Jahr 2006 ebenfalls Verlustanteile festgestellt wurden, die aber in diesem Jahr über entsprechend hohe andere Einkünfte verfügten, die Verluste aus Vermietung ausgleichen konnten.

Diese Effekte, für die der VfGH vorderhand keine sachliche Rechtfertigung erkennen kann, dürften nicht nurHärtefälle betreffen und auch nicht nur im Gefolge der Aufgabe der "Opfertheorie" durch die Judikatur des VwGH auftreten, sondern immer dann, wenn im Zusammenhang mit einem Mietobjekt außerhalb des in §28 EStG berücksichtigten Investitionsbereichs hohe laufende Kosten anfallen oder unvorhersehbare Schäden auftreten, die im Jahr des Anfalls (des Schadensereignisses) steuerlich als Werbungskosten im Wege einer Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung berücksichtigt werden müssen (vgl dazu Rz6422 EStR idF Wartungserlass 2005). Auch in diesen Fällen dürften die Regelungen des §28 EStG, die lediglich eine Verteilungsmöglichkeit für bestimmte Investitionen vorsehen, nicht (mehr) geeignet sein, die Berücksichtigung hoher Werbungskosten in verfassungsrechtlich hinreichendem Maße zu gewährleisten.

Gesetzesprüfungsverfahren zu §18 Abs6 EStG

Der VfGH ist nicht in der Lage, durch Aufhebung von Worten oder Wortfolgen in §28 EStG das dieser Einkunftsart angepasste System der Verlustberücksichtigung (wieder) herzustellen. Er ist vielmehr genötigt, jene Einschränkung des §18 Abs6 EStG in Prüfung zu ziehen, die den Verlustabzug auf die betrieblichen Einkunftsarten beschränkt, weil nur deren Aufhebung, sollten die Bedenken zutreffen, die Möglichkeit des Verlustabzugs bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eröffnet.


Dieser Beitrag wurde erstellt von LexisNexis ARD Orac.

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