Hebt der Verfassungsgerichtshof die Erbschaftssteuer auf?

Der VfGH hat noch vor dem Jahreswechsel das Gesetzesprüfungsverfahren betreffend die Bewertung von Grundstücken bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer mit dem dreifachen Einheitswert ausgeweitet. Nach nunmehriger Ansicht des VfGH dürfte überhaupt die ganze Erbschaftssteuer verfassungswidrig sein. Der VfGH hat nämlich im Zuge seiner weiteren Beratungen erkannt, dass das eigentliche verfassungsrechtliche Problem bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer darin besteht, dass Kapitalanlagen (insbesondere Bankguthaben, Sparbücher und Anleihen) infolge der Endbesteuerung ohne ausreichende sachliche Begründung zur Gänze von der Erbschaftssteuer befreit sind (nicht aber von der Schenkungssteuer!). Da diese Befreiung aber in einem Verfassungsgesetz geregelt ist, ist sie für den VfGH nicht angreifbar. Die Steuergerechtigkeit kann nach den vorläufigen Überlegungen des Höchstgerichts daher offensichtlich nur dadurch hergestellt werden, dass die ganze Erbschaftssteuer aufgehoben wird.

Im Falle einer Aufhebung der Erbschaftssteuer durch den VfGH hat die Politik mehrere Optionen:
• Die Erbschafts- und Schenkungssteuer wird zur Gänze abgeschafft, eine Variante, die etwa von der ÖVP im Wahlkampf zwar gefordert wurde, bei einer SPÖ-dominierten Regierung aber eher unwahrscheinlich ist.
• Die Erbschafts- und Schenkungssteuer wird beibehalten und einer Generalreform unterzogen. Dafür wäre allerdings aus verfassungsrechtlicher Sicht wohl eine Abschaffung der Erbschaftssteuerbefreiung für Kapitalvermögen erforderlich – und damit die Aufgabe eines wesentlichen Teiles der Endbesteuerung, deren Einführung von einer ÖVP-SPÖ-Koalition im Jahr 1992 als großer steuerpolitischer Erfolg gefeiert wurde. Daher ebenfalls eine eher unwahrscheinliche Variante!
• Die dritte Variante könnte darin bestehen, dass nach einer Aufhebung der Erbschaftssteuer durch den VfGH politisch gar nichts passiert, sondern die Schenkungssteuer weiterhin im Wesentlichen unverändert bestehen bleibt. Diese auf den ersten Blick zwar unorthodoxe, aber wohl verfassungskonforme Lösung ist steuerpolitisch durchaus realistisch: Sie hätte den Vorteil, dass die Schenkungssteuer, die aus der Sicht des Fiskus auch sehr wichtige ordnungspolitische Funktionen erfüllt, bestehen bleibt. Aus den Reihen der Finanzverwaltung wird nämlich gegen eine Totalabschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer immer wieder eingewendet, dass durch die Steuerfreistellung von Schenkungen steuerlichen Manipulationen Tür und Tor geöffnet werden würde. Der bloße Wegfall der Erbschaftssteuer kostet dem Budget geschätzt maximal nur 100 Mio € und ist daher leicht verkraftbar.

Die endgültige Entscheidung des VfGH sowie die Reaktion der Politik bleibt abzuwarten und wird weiter für Spannung sorgen!

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